Pressebericht TAH 22.04.2024
Holzminden beweist: Der Blues ist einfach unsterblich
Zehntes Weserbergland Blues Festival ein voller Erfolg
Holzminden. Man kennt es nicht anders in der Holzmindener Bahnhofstraße: der Jazz-Club war auch am Wochenende wieder proppenvoll. Anlass war diesmal das zehnjährige Jubiläum des Weserbergland Blues Festivals, zu dem prominente Gäste geladen waren. Der Vorsitzende des Jazzclubs als Veranstalter, Wilfried Steinmetz, verlor sich nicht in langer Rede, er gab das Wort gleich an Landrat Michael Schünemann weiter, der auf die anfängliche Skepsis verwies, die jedoch unberechtigt war: „Das Festival war vom ersten Tag an ein Erfolg!“ Schünemann betonte auch die Bedeutung des Clubs und seiner Veranstaltungen nicht nur für die Stadt, sondern für den ganzen Landkreis und darüber hinaus.
Auch die Präsidentin der Deutschen Jazzföderation wollte sich das Jubiläum nicht entgehen lassen. Susette Yvonne Moissl stellte die Föderation erst mal vor, der fast 200 Jazzclubs angehören: Sie generiert Fördermittel und weckt das öffentliche Interesse an diesem Genre. „Die Szene ist viel lebendiger, als man denkt“, weiß die Insiderin und sagte den Holzmindener Jazzund Bluesfans nichts Neues. Auch Moissl kam nicht, um lange Reden zu schwingen, sondern um Musik zu hören, genauer: den Blues, diese vermeintlich einfache, und doch bei aller Leichtigkeit so tiefgründige und vielfältige Musik, die ihre Wurzeln bei den benachteiligten Schwarzen in den USA hat. Eine Musik, die längst weite Teile der Welt in ihren Bann gezogen hat und auch in Deutschland neue Wurzeln schlägt.
Bestes Beispiel dafür war der erste Act des Abends: Bad Temper Joe aus Bielefeld hat längst einen internationalen Ruf, das britische Magazin „Blues Matters“ schrieb über den schwerblütigen ostwestfälischen Barden: „Schwer zu glauben, dass der Mississippi-Sound in Deutschland eine neue Heimat fand, aber genau das tat er – durch Bad Temper Joe.“ Wie sehr er den melancholischen Grundton des Blues verinnerlicht hat, beweist Joe mit jeder Geste, mit jeder Textzeile und mit jedem gesungenen und gespielten Ton. Sein gepflegtes mürrisches Image vermengt er geschickt mit eigenwilligem Humor: „Da werden einige wieder sagen, das ist doch kein Blues, aber wenn ich es spiele, ist es Blues!“ Ja, stimmt, der ganze Kerl ist durch und durch bluesig. Mal mit sanfter, mal mit kratziger Stimme gibt er seine selbst geschriebenen Songs zum Besten, mal mit der stoischen Ruhe eines Südstaatlers, den das harte Leben aller Illusionen beraubt hatte, mal mit der aufmüpfig kreischenden Attitüde dessen, der sich nicht unterkriegen lässt, verlegt Joe den uramerikanischen Weltenschmerz glaubhaft in die westfälische Provinz. Mit Moritz Herrmann an akkustischer, wie E-Gitarre versteht er sich blind, und auch Marcel Rahe fügt sich harmonisch in das Trio ein. Joe: „Er ist der einzige, der mit mir spielen kann!“ Und natürlich kommt auch Bad Temper Joe über ein Urthema des Blues nicht hinweg: Die Frau ist weggelaufen. „Das ist immer schlimm, aber meist ist es schlimmer, wenn sie wiederkommt!“
Nach Joes erdigem, feingliedrigen Blues kam, nach Meinung des „Bluesspots“, ein weiterer „Erstligist der deutschen Bluesszene“: Die Andreas Diehlmann Band! Und die heizte mit ihrem mitund hinreißenden Bluesrock dem Publikum mächtig ein. Mit traumwandlerischer Sicherheit bearbeitet Diehlmann seine Gitarren, eine nach der anderen, und treibt seine meist selbst verfassten Songs mit Schwung nach vorne, unterstützt vom ebenso sicheren Jörg Sebald am Bass und Tom Bonn, der vom Schlagzeug aus den Takt vorgibt. „Blues Matters“ bescheinigt Diehlmann „eine brillante, feine Bluesstimme“ und übertreibt damit kein bisschen. Auch er spielt mit dem Klischee der weggelaufenen Frau und erfindet derer gleich mehrere, um seine Grundstimmung zu erläutern. Aber schon erblickt er „Pretty Baby“, die Frau mit der er fünf Kinder haben möchte. Viel Witz in Wort und Ton also auch bei der Diehlmann Band, was man nicht besser zusammenfassen kann als „bluesnews“: „Das ist alles sehr gut gemacht und knallt gewaltig.“ Deshalb kamen sie nicht unter drei Zugaben von der Bühne: Beim Blue-Jeans Blues, Hey Joe und Purple Rain hielt es kaum noch jemanden auf den Stühlen, selbst auf engstem Raum fand man Platz zum Tanzen.
Der erste Act vom Samstagabend hat sich als Supportgroup von Eric Clapton europaweit schon einen guten Namen erspielt. „The Bluesanovas“ bewiesen einmal mehr, dass Blues „made in Germany“ weltweit vorne mit dabei ist. Die Münsteraner Till Seidel, Felipe Henrique, Nico und Phillip Dreier und Fabian Rosmaity animierten mit Boogies von der Westküste gleich zu Beginn das Publikum zum Mittanzen. Seidels Stimme beherrschte, ob nun kraftstrotzend oder gefühlvoll, jeden Song. „Somebody really loves you“ ging ein überaus lyrisches Piano-Intro voraus. „Drinking beer“ und „More money“ kamen eher flott fordernd daher. Die „Bluesanovas“ spielen seit neun Jahren zusammen – Musik aus einem Guss, sozusagen. Keyboarder Nico Dreier schien besonders gut gelaunt, er forderte seinem Instrument alle Facetten ab. Als Zugabe brachten sie mit „My Baby“ noch einen Texas-Blues.
Kai Strauß und seine Electric Blues Allstars sind eine internationale Band. Paul Jobsen, Henri Jerratsch, und Kevin Duverney schaffen den Spagat zwischen Gestern und Heute und holen sich Inspiration auch bei Soul und Funk. In „Down on my bended knee“ geht es natürlich um Liebesschmerz (Frau weggelaufen, er bittet sie auf Knien zurück – frag doch mal Temper Joe!) Auch die Allstars waren musikalisch perfekt, auch bei ihnen stach das Keyboard unter Paul Jobsen in langen Läufen besonders heraus. Ihre überwiegend druckvollen Stücke, darunter viele Eigenkompositionen, brachten die Wände zum Wackeln. „Feel so bad“ als Zugabe traf es musikalisch voll, inhaltlich aber keinesfalls – schlecht fühlte sich keiner im Publikum.
Am Sonntag wurde dann „genetzwerkt“: Im Beisein von Präsidentin Susette Yvonne Moissl trafen sich Vertreter von Clubs aus ganz Deutschland im Jazzclub zum Erfahrungsaustausch. Jazz-club-Chef Steinmetz versprach, in gewohnter Manier weiter zu machen, mit zwölf Konzerten und zwei Festivals pro Jahr.
Text: Ernst Schaffer