Pressebericht JCH  19.9.2022

Ein gelungenes Jazz-Festival der Kontraste

Zwischen Boogie, Latin und Jazz-Rock etwas für jeden Geschmack

(ez) Heißer Boogie, Rock’n’Roll, gefühlvolle Balladen, alte Schlager in neuem Gewand – ein abwechslungsreiches und schwungvolles Programm ließ das Publikum am ersten Abend rasch warm werden. „Boogie Royale“ mit dem Tastenakrobaten KC Miller am Piano, dem erfahrenen Drummer Andreas Bock und vor allem der energiegeladenen charmanten Sängerin Viveca Lindhe bekam bei jedem Stück frenetischen Applaus. Zwischendurch sang auch der Pianist, so den Rock’n’Roll „Come on, let’s boogie“ und als Komponist konnte er ebenfalls überzeugen. „Three tequilas for the lady“ beruht auf einer Episode beim Tanz in den Mai, am Ende waren es vielleicht sogar zehn Tequilas? Die Folgen für die Lady malt man sich aus. Natürlich schwedisch sang Viveca Lindhe den „Köttbullar Blues“, was könnte schwedischer sein? „Lucky lips“, erst englisch, dann deutsch vom Drummer gesungen, forderte die Textfestigkeit der Gäste heraus. „Rote Lippen soll man küssen“, da konnten viele doch mithalten. Neben den erwähnten Sprachen gab es einen Song aus dem Land, wo man „Shu-bi-du“ spricht, mit einem Augenzwinkern angekündigt und präsentiert von Viveca Lindhe. Standing ovations am Ende für „Boogie Royale“ und als Zugaben „Rolling on the river“ und „I don’t care“, teils als Can-Can gespielt.

Es folgte die Band „How about Rita?“ mit der Sängerin Angela Rijthoven, dem versierten Pianisten Harry Kanters, dem Bassisten und Sänger Bart Wouters und dem Drummer Han Wouters und ihrem „Vintage Vocal Jazz“. Ein sehr ursprüngliches Repertoire mit Songs u.a. von Peggy Lee, Louis Armstrong und Judy Garland hat die Band in zehn Jahren zusammengestellt und ihm ihren individuellen Anstrich verliehen. Romantische Balladen aus alten Filmen, Titel von Chet Baker, Mambo-Rhythmen, Anleihen an Bizets „Carmen“ in „Golden earrings“ von Peggy Lee, ein kraftvoller „Männerchor“ bei der traurigen Rumba „Señor“, wo selbiger leider mit einer anderen Señorita verschwunden ist, dazwischen Skat-Gesang, Blues und Swing. Angela Rijthoven, in einem 50er Jahre Cocktailkleid, überzeugte insbesondere bei den romantischen Stücken „A strawberry moon in a blueberry sky“, „East of the sun, west of the moon“ und dem Baião Song „El bajon“, ehedem gesungen von Silvana Magnano in dem alten Film „Anna“. Geklärt werden muss noch der Name der Band: eine Eigenkomposition beschrieb sehr humorvoll die Suche nach einem Songtitel, verschiedene Vorschläge werden verworfen und man endet bei „Wie wär‘s mit Rita?“. Nach langem Applaus und einer Zugabe endete der erste Abend des Festivals.

Koffeinhaltig der Anfang des Konzerts am Samstag: heiß, anregend und geschmackvoll serviert die Band „Bossa Café“ ihre Titel. Sambarhythmen, durch Percussion betonte Popsongs, ein Tango von Astor Piazzola, den Grace Jones als „I’ve seen that face before“ bekannt machte, verschiedene Titel von Santana, „Ai no corrida“ von Quincy Jones – präsentiert von Pia Schiering (Voc), Ansgar Specht (git), Klaus Leinkühler (keyboards), Reinhard Glowatzke (b), Udo Schräder (dr) und Marcus Köster (perc). Melancholie und Temperament, Melodiefolgen und Rhythmus bestimmen das Programm. Auch der alte englische Kinderreim „Geory, porgy, pudding and pie“ wird vorgestellt, David Paich hatte ihn als „Toto“ herausgebracht, hier wurde er zu einem Latin Song umgewandelt. Gitarre und Keyboard stritten sich gelegentlich um die Melodie, fanden aber stets wieder zusammen. Zu den üblichen Percussion-Instrumenten kam noch ein Guiro (eine Art gurkenförmige Ratsche), den die Sängerin zur Hand nahm. In ganz eigener Version spielte die Band ihr letztes Stück „What a difference a day makes“ und bekam noch einmal langen Applaus.

Nach der Umbaupause dann Modern-Jazz-Rock mit „Jin Jim“, ausgesprochen phonstark, rhythmisch, aber auch hinreißend melodiös dank Daniel Manrique-Smith und seiner Flöte. Er hat klassische Flöte und Jazzflöte studiert und hatte eine C-Flöte, eine Alt- und eine Bassflöte dabei. Gitarrist Johann May, Bassist Ben Tai Trawinski (Kontrabass und E-Bass) und Schlagzeuger Nico Stallmann bereiten die rhythmische Grundlage für den strahlenden Klang der Flöte. Rock, Jazz und Latin verschmelzen in der Musik der Band, Impressionen von Konzerttourneen werden umgesetzt. Der Titel „Mankafiza“ ist so Musikern aus Madagaskar gewidmet. Die Stücke, durchweg Eigenkompositionen, sind meist von beeindruckender Länge und voller Überraschungen. Zeit zum Durchatmen blieb etwa bei „Exploration“, einem meditativ leisen Stück des Gitarristen, wo lange Melodiebögen der Bassflöte beeindrucken. Er komponierte ebenfalls „One for Mike“, eine Hommage an den Jazzgitarristen Mike Stern. Vom Bassisten geschrieben dann als letztes Stück des Abends „Dreaming“ mit einem eher verhaltenen Anfang, die Melodie präsentiert vom Bass, bevor Drummer und Bassist noch einmal kräftig loslegen und sich zudem überraschend als Vokalisten outen.

Die Jazz-Matinée am Sonntag brachte mit Frank Muschalle einen weltweit gefragten BoogieWoogie Pianisten auf die Bühne. Zusammen mit seinen Kollegen Stephan Holstein an Saxophon und Klarinette und dem Schlagzeuger Dirk Engelmeyer nahm er das Publikum noch einmal in die Welt des Boogie mit. Der Altersdurchschnitt im Saale wurde übrigens durch sechs Personen unter 10 Jahren deutlich nach unten korrigiert. Alle hatten ihr Vergnügen und genossen die Musik. Stephan Holstein stellte seine imposante Bassklarinette scherzhaft als Alphorn vor und spielte in Duke Ellingtons „C-Jam Blues“ darauf ein sehr langes Solo. Jack Teagarden steuerte den Titel „Meet me where they play the blues” bei, was klar erkennen lässt, dass das Trio nicht nur Boogie kann. Den dafür allerdings umso wilder und stets mit sichtlich eigener Begeisterung. Die Finger des Pianisten flogen nur so über die Tasten. Ein wenig Swing zur Beruhigung wurde untergemischt, der Drummer sang „Cindy Lou“, der Chicago Blues „Two funky people“ wurde als Schnulze angekündigt – es ist eben eine sehr zu Herzen gehende Ballade. Nach „Sheffield in the morning“ und weiteren Titeln belohnte das Trio den langanhaltenden Applaus mit dem Boogie „Swanee River“ als Zugabe. Ende des 32. Jazz-Festivals Holzminden!

Das nächste Konzert im Jazz-Club Holzminden ist am 30. Oktober ab 20 Uhr – auftreten werden „The Özdemirs“ & Johnny Rawls.