Pressebericht JCH 17.9.2023

33. Jazz-Festival zwischen Klassik mit Metal und Grüßen von Satchmo 

Fünf Bands beweisen die Lebensfreude und Variabilität des Jazz 

(ez) SAFE (Scarcella and Friends Extended), eine junge dynamische Band eröffnete mit einfallsreichen Eigenkompositionen des Gitarristen Julian Scarcella das Festival. Ungewöhnlich die Besetzung, ungewöhnlich die Klänge. „Jazz trifft auf Klassik trifft auf Metal“ ist der Titel ihrer CD, und es gab sowohl wüste dynamische, auf die Ohren einstürzende als auch melancholische Titel mit zarten Passagen auf der Violine oder dem Piano. Neben dem Pianisten Simon Asmus und der virtuosen Violinistin Yoshie Okura bekam Nico Gutu für sein Spiel auf dem großen Knopfakkordeon viel Beifall. Mit Simon Schröder saß ein Individualist am Schlagzeug, der seine Mitstreiter souverän durch alle vertrackten Rhythmen führte. „Danca Appassionata“ im Flamenco-Stil, „Violin Solo No.1“, die Ballade „When love is gone” mit einem erfrischenden Dialog für Violine und Gitarre, „Hope“ im Fusion-Style wie aus L.A., ein jazziges Triostück „Raue See“ (nur p/git/dr) und als Zugabe einen ganz entspannten „Tanz am Abend“ – das Publikum belohnte die Band mit lang anhaltendem Applaus. 

Klanglich und stilistisch ganz anders wurde der Abend fortgesetzt. Der Pianist Dirk Raufeisen, gern gesehener Gast und überdies seit Jahren Clubmitglied, trat nicht nur wie angekündigt mit „Gospel Fountain“ auf, sondern mischte das Programm mal eben mit „Blues Fountain“. Der Gershwin-Klassiker „I got rhythm“ gab ihm gleich zu Beginn Gelegenheit,

dem Vokaltrio auch als Sänger gegenüberzutreten. Mirjam Reichmuth, Tina Witzemann und Bianca Christen harmonierten bestens in den Stimmlagen Alt, Tenor und Sopran. Mit „I can’t give you anything but love“ kam dann auch Blues- und Gospel-Legende Tommie Harris auf die Bühne. Seit 1988 schon tritt er mit Dirk Raufeisen und dem Kontrabassisten Götz Ömmert auf. Der Schlagzeuger Marcel Hochstrasser ist da vergleichsweise ein Newcomer, harmoniert aber bestens mit seinen Kollegen. Das beliebte „Oh, when the saints“ band die Gäste als Chor mit ein, der Pianist hämmerte wild auf die Tasten – 16tel waren das sicher nicht mehr, eher wohl 64tel! Auch beim rein instrumentalen „Honeysuckle Rose“ legte er kräftig los, klar wurde nicht, ob das Schlagzeug nun das Klavier anspornte und trieb oder umgekehrt. Danach luden die drei Sängerinnen zur „Sentimental journey“ ein, Sentimentalitäten konnten jedoch aufgrund der Reisegeschwindigkeit schlecht aufkommen. In „Swing low, sweet chariot“ imitierte Dirk Raufeisen augenzwinkernd den Gesangstil von Elvis, der oft auch Gospels sang. Und zum Schluss verbanden sich die Gospelsongs „Oh, happy day“ und „Go tell it on the mountains“ zu einem einzigen mitreißenden Stück, gesungen von Tommy Harris, Dirk Raufeisen und dem Trio. Den langen begeisterten Applaus der Gäste im Club beantwortete die Band mit zwei Zugaben, „What a wonderful world“ und „His eye is on the sparrow“. 

Am Samstag trat zuerst das Trio „Barocco Blue“ aus Hamburg mit Gitarre, Kontrabass und Saxophon bzw. Klarinette und verhalten kammermusikalischem Jazz auf. Zehn Saiten und ein Holzblatt kommunizierten miteinander, vorwiegend meditative Eigenkompositionen des Gitarristen Massoud Godemann dominierten das Programm. Bei swingenden Stücken wie „Aphrodite“ oder dem bekannten „Summertime“ konnte die Band das Publikum besser erreichen. „Blue Monk“ von Thelonius Monk mit seinen eingängigen Melodien wurde gegen Ende rascher, lebendiger und bekam viel Beifall. Konstantin Herleinsberger bewies, dass Klarinette und Saxophon der menschlichen Stimme sehr nahe kommen können: klagen, brummen, kieksen, singen – alles war drin. Zuverlässig der Kontrabass von Gerd Bauder, mal gestrichen, mal gezupft, immer souverän. Fast wie ein viertes Instrument wirkte dann noch der Scat-Gesang des Gitarristen. Als letztes Stück spielte das Trio die durchkomponierte „Ode an die Schanze“, es schildert einen Spaziergang durch das Stadtviertel und die dabei erlebten Eindrücke. 

Nach kurzer Umbaupause ging es zurück zum klassischen Jazz, das Programm der „Louis Armstrong Celebration Band“ war eine einzige Verneigung vor dem legendären Trompeter. Als erstes Stück erklang der „Royal Garden Blues“ von 1919, benannt nach dem Royal Garden Café in Chicago. Anschließend ging es quer durch das bekannte und beliebte Repertoire: „Basin Street Blues“ (das Trompetensolo von Michael Varekamp hätte Louis Armstrong sicherlich gefallen), “My blue heaven“, „High Society“ im karibischen Rhythmus mit „battle“ zwischen dem Trompeter und Peter Verhas an der Klarinette, „Hello Dolly“ mit einfallsreichen Soli von Harry Kanters am Piano und Harry Emmery am Kontrabass. Eine Beerdigung à la New Orleans wurde musikalisch präsentiert – auf dem Hinweg zum Friedhof getragene Gospelklänge „Just a closer walk with thee“, auf dem Rückweg ein flotter, fröhlicher Marsch, denn schließlich


geht das Leben weiter. Das Pianosolo in „C’est si bon“ endete passend mit einigen Noten der Marseillaise. Dann blieb der Pianist für ein langes, wildes Stück im Stil des Stride-Piano allein auf der Bühne – „Finger breaker“. Zum Glück blieben alle zehn Finger dran und auch unversehrt. Gegen Ende des umwerfenden Abends zogen die Musiker in „Oh, when the saints“ noch einmal alle Register. Der Elan, die Stimmgewalt von Michael Varekamp, sein langer Atem beim Scat-Gesang, das Saxophon, das den Gesang imitierte, das minutenlange kraftvolle Schlagzeugsolo von Eric Kooger – alles zusammen machte aus dem Titel ein umwerfendes Erlebnis für die begeisterten Gäste. Unter die Haut und direkt ins Herz ging „What a wonderful world“ als letzter Song des Abends. 

Sonnenschein am Sonntagvormittag und ein gut besuchter Jazz-Frühschoppen im Garten – die „Streetband“ des Clubs hätte es sich nicht besser wünschen können. „We will walk through the streets of the city“ ist ihr Eröffnungstitel. Klarinette, Trompete, Posaune, Banjo, Tuba und zwei Drums, das passt für eine marching band. Aber der Mann am Klavier? Dirk Raufeisen hat es sich nicht nehmen lassen, zusammen mit den Holzmindenern zu musizieren. „Tiger Rag“, „Bourbon Street Parade“, „Jambalaya“ als Gruß aus der karibischen Küche, der gruselige Song über den Mörder Haarmann aus Hannover, „When I’m 64“ von den Beatles, „Rock around the clock“ in jazziger Version, „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“, „Sweet Georgia Brown“ – die „Streetband“ versteht es, so unterschiedliche Songs in ganz eigener Art überzeugend vorzutragen. Am Schluss spielte auch sie „Oh, when the saints“ – auf ihre Art.