Pressebericht JCH 27.3.2022
Die Welt der zwölf Takte, die vielen Facetten des Blues
Musiker und Publikum begeistert und zufrieden
(ez) Das 8. Weserbergland Bluesfestival konnte halten, was die Ankündigungen versprochen hatten. Es gab leise und poetische Töne, satte Bläsersätze, schwungvoll tanzbare Titel, traditionelle Stücke und eher modern getönte, Ausflüge zu Soul, Funk, Boogie und Rock’n’Roll und in der Summe einfach alles, was die Welt der zwölf Takte so unwiderstehlich macht.
Mit normaler Gitarre, 12-saitiger Gitarre, Mundharmonika und Gesang kam zu Beginn Roland Berens auf die Bühne und präsentierte seinen mal zurückhaltend leisen, mal rhythmisch ausdrucksvollen „Poetischen Rhythm und Blues“. Die deutschen Texte machten teils sehr nachdenklich wie der Song „Wirf fort dein Schwert“, geschrieben und präsentiert 1998 in Münster zur Feier 350. Wiederkehr des „Westfälischen Friedens“. Heute so aktuell wie lange nicht mehr. Neben vielen virtuosen Eigenkompositionen, darunter bluesige Liebesballaden, gab es auch bekannte klassische Bluestitel wie „That’s my life“ oder „Hilf mir“, wobei die Worte nicht Übersetzungen, sondern eher Nachdichtungen im Sinne der Songs waren. Roland Berens erhielt viel Applaus von einem bewegten aufmerksamen Publikum.
Die Lohmann R&B Kapelle stand während der letzten Gitarrenklänge schon in den Startlöchern und legte nach einer kurzen Umbaupause los. Phonstark und rasant, von den Themen her zwar auch in den bekannten Traditionen des Blues, allerdings mit erklärtem Schwerpunkt auf „Blues und gute Laune“. Die achtköpfige Besetzung folgte den klassischen Vorgaben des R&B, also Vocals, Drums, Bass, Gitarre, Piano und dazu Posaune, Saxophon und Trompete. Alle Musiker hießen einheitlich Lohmann, nur ihre Vornamen hatten sie aus dem zivilen Leben mitgebracht. Den Namen Lohmann hatten sie in ihren Anfängen irgendwo in der westfälischen Provinz von einem Ladenschild „entwendet“. - Virtuos solistisch trat jeder ab und an hervor und erhielt für seine individuelle exzellente Präsentationen großen Applaus. „Shim, sham, shimmy shakes the town“ mischt mal eben mit Schwung die Stadt auf, „I got loaded“ gesteht ein Whisky-Liebhaber, eine laute Schiffssirene per Saxophon kündigt eine „Sea Cruise“ an, die als wilder Boogie für Wellen sorgt, und streuende Katzen treffen sich im „Stray Cats Strutt“ allnächtens hinter den Müllkübeln zu Untaten und Katzenkonzert. Nach zwei langen mitreißenden Sets tauchte im letzten Song dann unvermittelt mit „Stabber Lee“ noch ein fieser Messerheld auf, der Böses im Sinn führte. Laut und anhaltend applaudierten die begeisterten Gäste und bekamen ein wildes „Caledonia“ als Zugabe mit auf den Heimweg.
Samstagabend und Blues, der Clubraum war im Rahmen des Möglichen wirklich gut gefüllt, die Gäste so zwischen 27 und 72, mit leichten Abweichungen nach unten und oben. Die Eddi Kold Blues Band aus Köln mit dem Gitarristen Eddi Kold, dem Bassisten Klaus Brunschede, dem aus Virginia stammenden Sänger Larry Doc Watkins und dem Drummer Christian Wübben spielte traditionellen Chicago Blues, gemischt mit Soul und Jazz. Im Sound war ihre Darbietung trockener, rationaler als bei den Lohmanns, bedingt durch das Fehlen der Bläser. Stampfende treibende Rhythmen, ein kräftiges Schlagzeug und insbesondere die markante Gesangsstimme von Larry Doc Watkins machten den Charakter vieler Titel aus. Allerdings waren durchaus auch eingängige „Gänsehautstücke“ zu hören und andere Rhythmen lockten zum Tanz. Auf kleinstem Raum tanzten auch einige Gäste, andere begnügten sich mit Schulterzucken und Fußwippen an ihrem Platz. Eine kleine Auswahl an Titeln: „Weeping Willow Tree“ für das Gefühl, „When I woke up this morning”, vom Text ein klassischer Bluesbeginn, sorgt für doch sehr beschwingtes Erwachen, Alltagsfragen mit Drumsolo bei „Got my motor working“. Und dann aus der Geschichte der umherreisenden Bluesbands der „Wang Dang Doodle“, geschrieben von Willy Dixon, das letzte Stück im Programm. Als der Applaus danach partout nicht enden wollte, spielte die Band selbstverständlich eine Zugabe, „Go, Johnny, go“, noch einmal in vollem Tempo und mit einem sehr unerwarteten abrupten Ende. Jubel, noch mehr Applaus.
„The Bluesanovas“, Gewinner der German Blues Challenge 2019, machen Münster zur heimlichen Blueshauptstadt. Die fünf Jungs, alle Baujahr 1990er Jahre, mischten den Club gehörig auf. Nico Dreier an Honky-Tonk-Piano und Orgel, sein Bruder Philipp Dreier am Schlagzeug, an der Gitarre Filipe Henrique, im Pailletten-Sacko der Sänger und Moderator Melvin Schultz und mit Kontrabass und E-Bass Tim Kirschke bewiesen ihr unbestritten internationales Niveau. Im langen letzten Winter wurde viele eigene Songs geschrieben und geprobt, das dritte Album ist in Vorbereitung. Ohne jegliche Pause spielten die fünf Musiker den Abend durch, natürlich viel Blues, aber auch echt wüsten Rock’n’Roll und etliche Soultitel. Melvin Schultz gab stimmlich und körperlich alles, und das rasante Spiel des Pianisten ließ alle nur staunen. Zu den Eigenkompositionen zählt „Live it or leave it“, ein ruhiger Song über eine eher unglückliche Liebe, bei dem der Gitarrist ein grandioses Solo hinlegte. „Everybody’s fool“ war zu hören, aus der Soul-Ecke „I don’t believe“ und als letzter Titel des Programms „You hurt me, baby“. Das Publikum jubelte und klatschte sehr lange, als Zugabe spielten die Bluesanovas dann „Blow, wind, blow“ von Muddy Waters, mit Larry Doc Watkins als „special guest“ auf der Bühne im Duett mit Melvin Schultz. Eine zweite Zugabe ließ sich nicht vermeiden, es war ein fetziger „Rock’n’Roll“ und den Gitarristen trieb es in seiner Spielfreude auf einen Tisch. Der Saal tobte.
Sonntagmorgen, 11 Uhr, Uhrenumstellung zur Sommerzeit, so fanden leider nicht sehr viele Gäste den Weg in den alten Bahnhof. Wer lieber ausschlief, hat etwas verpasst. Die Berliner Band „Mademyday“ besteht seit 2018 und tritt bislang nur hierzulande auf. Matthias Falkenau (Orgel und Klavier), Jan Hirte (Gitarre und Gesang), Arcadius Didavi (Bass) und Max Grevenbrock (Schlagzeug) haben sich dem Blues und Soul verschrieben, in vorwiegend instrumentaler Fassung, bei ihnen übernehmen Orgel, Klavier oder Gitarre die Melodieführung. Zu Beginn der eher ruhige „Swingin‘ Shepherd’s Blues“ aus den 50er Jahren, jedoch bereits beim zweiten Stück hieß „wir nehmen uns immer vor, wir fangen ruhig an – meist klappt’s nicht“. Also ging es rasch und rhythmisch weiter: eine Eigenkomposition des Drummers ließ den Organisten so richtig loslegen. Auf die Tasten dreschen, einzelne Töne herauskitzeln, Akkorde, Läufe, mit der Hand quer über die Tasten gewischt. Zum Schluss hielt es ihn nicht auf dem Hocker und er spielte mit vollem Körpereinsatz stehend weiter. Am Klavier präsentierte er später die einfühlsame zarte Eigenkomposition „Slow waltz“, zurückhaltend unterstützt von seinen Kollegen. Von Ray Charles stammt der Titel „I‘m busted“, was etwa meint „ab in den Knast“. Später hieß es nicht „Get the blues“, sondern „Get the funk“, gefolgt vom lustigen Titelraten. Doch niemand erkannte die „Ode to Billy Joe“, obwohl ein insgesamt sehr sachverständiges Publikum anwesend war. Der Titel gab dem Mann an den Tasten noch einmal die Chance, sein Instrument zum Beben zu bringen, auch für je ein langes Solo von Bass und Schlagzeug war gesorgt. Jeweils zu Ende des ersten und zweiten Sets legte der Gitarrist doch eine Gesangsnummer ein, „Hip shake“ und „Hold it right there“. Die Band verabschiedete sich mit der Zugabe „Me too“, rasant und stampfend, und dem Versprechen bestimmt wiederzukommen.
Der Vorstand des Jazz-Clubs dankt allen Gästen, die durch ihr Kommen die Bands erfreut haben, und allen Sponsoren, die die Durchführung des Festivals mit ermöglicht haben.